Moderne Pin-ups
Wenn ich Otto Beck auf Anhieb und
ohne Umschweife charakterisieren müsste, würde ich zu einer Redewendung
Zuflucht nehmen. Er ist das Salz in der Suppe der Salzburger Kunstszene. Diese
Kurzformel ist natürlich eine Verlegenheit, aber eine eingehendere Definition
würde zu langwierig werden, denn seine Aktivitäten sind weitläufig und seine
künstlerische Bandbreite ist diametral angelegt, nämlich zwischen Aktionismus
und klassischer Malerei. Ich lasse mich in seinem Fall auf keinerlei
Terminologie ein, weil mir bei ihm die Tatsache doppelt und dreifach bewusst
wird, dass eine Künstlerpersönlichkeit nicht auf einen Nenner zu bringen ist.
Aus all dem geht hervor, dass Otto Beck ein äußerst
anregender Mensch ist, lebhaft bis zur Quirligkeit, ein unerschöpflicher Stichwortgeber
und so gebildet wie unterhaltsam. Früher habe ich mir immer gedacht, er ist
viel zu intelligent, um ein guter Maler zu sein, aber inzwischen bin ich von
dieser Meinung abgekommen, erstens weil alle guten Maler, die ich kenne, auch
intelligent sind, und zweitens, weil ich inzwischen finde, dass Otto Beck
dieses Prädikat guter Maler wirklich verdient. Ein besonderes Merkmal von ihm
ist ein schon in unserer gemeinsamen Schulzeit auffällig gewordener Hang zum
Schabernack, der sich später unverkennbar auf seine künstlerische Produktion
übertragen hat
Damit hängt sicher zusammen,
dass Otto Beck kein abgehobener, schwer zugänglicher Künstler ist und ebenso wenig
einer, der sich zeitgeistig anbiedert oder im mainstream schwimmt bzw. im
Insidertrend steht. Wenn seine jetzige Ausstellung vordergründig den Anschein
erweckt, spekulativ zu sein, dann hängt das an seinem elementaren Interesse an
menschlichen Verhaltensweisen, und außerdem ist sie bei genauerem Hinsehen ganz
und gar nicht spekulativ.
Das Erotische ist mehr oder
weniger unterschwellig immer eine Funktion der Malerei gewesen, sogar das
religiöse und das allegorische Genre haben es für ihre Zwecke eingesetzt.
Schönheitengalerien oder Darstellungen der Musen beispielsweise waren oft nur
ein Vorwand. Später kam man dann ohne solche Deckmäntelchen aus. Nicht
vordergründig zu sein ist in diesem Fach gar nicht so leicht, denn selbst eine
unverfängliche Aktdarstellung kann nur schwerlich den Eindruck des
Aufdringlichen vermeiden und wirkt sehr leicht schwül und anzüglich - das liegt
nicht nur am „männlichen Blick“.
Die Pop-art mit ihrem Pakt mit
dem Kommerz hat auch einen Boom der erotic art im Gefolge gehabt. Es gibt also
Gründe, dieses heikle Gebiet zu meiden, vor allem in einer Zeit der
flächendeckenden Sexualisierung. Doch auch diese belebt das Geschäft, setzt
sich in Kunst um, wobei wie in vielen Bereichen die Gleichschaltung am
untersten level dominiert. Das heisst Banalität als primitivste Form von
Alltäglichkeit, wo schon ein sexuelles Rollenspiel als
künstlerische Performance
gewertet wird. So scheint es für manche Kunstexperten ein vordringliches
Anliegen zu sein, Pornografie eins zu eins in Museumskunst überzuführen.
Otto Beck hat sich für seinen
neuen Bilderblock unter anderem im virtuellen Rotlichtdistrikt und in
Manga-Comics umgesehen. Die Zurschaustellung findet bei ihm nicht in der Form
obszöner Aktionen, sondern in starren, wie gefesselten Posen statt, was bei
einem malerischen Bewegungstalent wie Beck überrascht. So etwas wie ein
narzisstischer Stupor hat diese Figuren erfasst. Ich sage bewusst „Figuren“,
weil ihnen ein individueller und kommunikativer Charakter abhanden gekommen
ist. Er stellt sie in eine ebenso nahe wie verschlossene Zwischenwelt, in der
die Farben Schwarz und Rosa dominieren. Auffallend ist der Fetischcharakter,
der das Erotische des Körperlichen fast vollständig absorbiert. Es sind
puppenhafte Sexidole, ein Eindruck, zu dem auch das Puerile dieser Lolitas und
Lolitos beiträgt. Dies entspricht zwar durchaus bestimmten Trends in der Welt
der medialen erotischen Unterhaltung, doch das ist weniger der Grund, der Otto
Beck zum Malen reizte, denn er will hier weder soziologische Fallstudien zeigen
noch Sexualpsychologie betreiben.
Das Kostüm, das Outfit, das „face shifting“ bestimmt die
durch und durch artifizielle Erscheinung, und diese Verwandlung von Körpern in
Idole ist es vor allem, was den Maler fasziniert; ein Spielraums, in dem die
Spezies Mensch in die künstliche Animation und in das Comic überwechselt und
zum astralen
„space people“ mutiert. Der
Künstler erfreut sich an der erotisierenden Drapierung und gestattet uns
außerdem einige historische Abstecher, einen Streifzug in die Zeiten von Moulin
rouge oder Frühstück bei Tiffany, und sogar die Steinzeit hatte schon ihre
Pin-ups und Cartoons, wenn man Beck Glauben schenkt. Marilyn Monroe bleibt uns
gottseidank erspart.
Es herrscht aber kein
Life-Ball-Taumel, sondern ein korsetthafter Zwang, etwas Fixiertes und Mechanisiertes. Nichtsdestotrotz bietet
Beck es in einer fast amüsanten Form dar, die
ich als burlesk bezeichnen möchte. Das Schrille liegt erfreulich nahe am Schrulligen.
Wohl dem, der hier wie Beck seinen
Humor und eine gesunde Portion Deftigkeit bewahrt. Man fühlt sich an das
Sprichwort erinnert: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. In erotischer Hinsicht
gewahrt man eher Symptome der Verkümmerung: Uniformität,
Infantilismus, Verwischung geschlechtlicher
Unterschiede.
Was Beck zweifellos mehr interessiert als der online-Strich, das
ist die „Hure Malerei“, für die ein Thema immer nur Anlass, Mittel zum Zweck
ist. Was kann dieses altertümliche Medium zu diesen clownesken
Bizarrerien beitragen? Da schlägt Beck keineswegs in die Kerbe der Gleichmacher
und „Herunterzieher“, die sich meistens auf die Seite der aktuellsten Techniken schlagen. Das zeigt sich allein
schon darin, dass seine gestalterische Vorgabe
für diese Ausstellung
nicht lautet „tiefer
hängen" (wie ein bekannter Buchtitel lautet), sondern dass er seine Bilder
möglichst hoch oben platziert sehen will. Das ist in diesem Fall kein bloßer
Gag, sondern programmatisch zu nehmen.
Für Beck ist die Malerei eine
Würdeform, die ein Motiv nobilitiert, wie ein sehr altmodischer Terminus
lautet, diesen Stolz lässt er sich nicht nehmen, und von dieser Würde
profitieren auch seine unanständigen Netzbewohner. Er stellt seine modernen
" pin-ups" ideell in eine Reihe mit den ehrenwerten Modellen
seinerzeitiger „Klassiker". Den mattierten Bildschirm hat er durchaus
integriert, denn die Bilder sind technisch so etwas wie digitale
Hinterglasmalereien. Beck unternimmt also nichts Geringeres als einen
Brückenschlag zwischen Comic, virtueller Realität und altgediegener Malerei.
Man spricht oft von der spitzen Feder, die zu höchstem Bildwitz prädestiniert
sei, womit die Zeichnung als Kunstform ein weitgehendes Anrecht auf Humor und
Witz in der bildenden Kunst zugesprochen bekommen hat. Ich möchte daher jetzt
eine analoge Behauptung aufstellen, dass nämlich der vergleichsweise stumpfe
Pinsel bei Otto Beck ebensolche Fähigkeiten hat. Sie versetzen ihn in die Lage,
auch einem heiklen Thema eine im weitesten Sinn humorvolle Behandlung
wiederfahren zu lassen. Otto Becks erotische Erkundungen verführen vor allem
zur Malerei.