Otto
Beck

Nikolaus Schaffer
Moderne Pinups

Moderne Pin-ups   Wenn ich Otto Beck auf Anhieb und ohne Umschweife charakterisieren müsste, würde ich zu einer Redewendung Zuflucht nehmen. Er ist das Salz in der Suppe der Salzburger Kunstszene. Diese Kurzformel ist natürlich eine Verlegenheit, aber eine eingehendere Definition würde zu langwierig werden, denn seine Aktivitäten sind weitläufig und seine künstlerische Bandbreite ist diametral angelegt, nämlich zwischen Aktionismus und klassischer Malerei. Ich lasse mich in seinem Fall auf keinerlei Terminologie ein, weil mir bei ihm die Tatsache doppelt und dreifach bewusst wird, dass eine Künstlerpersönlichkeit nicht auf einen Nenner zu bringen ist.   Aus all dem geht hervor, dass Otto Beck ein äußerst anregender Mensch ist, lebhaft bis zur Quirligkeit, ein unerschöpflicher Stichwortgeber und so gebildet wie unterhaltsam. Früher habe ich mir immer gedacht, er ist viel zu intelligent, um ein guter Maler zu sein, aber inzwischen bin ich von dieser Meinung abgekommen, erstens weil alle guten Maler, die ich kenne, auch intelligent sind, und zweitens, weil ich inzwischen finde, dass Otto Beck dieses Prädikat guter Maler wirklich verdient. Ein besonderes Merkmal von ihm ist ein schon in unserer gemeinsamen Schulzeit auffällig gewordener Hang zum Schabernack, der sich später unverkennbar auf seine künstlerische Produktion übertragen hat   Damit hängt sicher zusammen, dass Otto Beck kein abgehobener, schwer zugänglicher Künstler ist und ebenso wenig einer, der sich zeitgeistig anbiedert oder im mainstream schwimmt bzw. im Insidertrend steht. Wenn seine jetzige Ausstellung vordergründig den Anschein erweckt, spekulativ zu sein, dann hängt das an seinem elementaren Interesse an menschlichen Verhaltensweisen, und außerdem ist sie bei genauerem Hinsehen ganz und gar nicht spekulativ. Das Erotische ist mehr oder weniger unterschwellig immer eine Funktion der Malerei gewesen, sogar das religiöse und das allegorische Genre haben es für ihre Zwecke eingesetzt. Schönheitengalerien oder Darstellungen der Musen beispielsweise waren oft nur ein Vorwand. Später kam man dann ohne solche Deckmäntelchen aus. Nicht vordergründig zu sein ist in diesem Fach gar nicht so leicht, denn selbst eine unverfängliche Aktdarstellung kann nur schwerlich den Eindruck des Aufdringlichen vermeiden und wirkt sehr leicht schwül und anzüglich - das liegt nicht nur am „männlichen Blick“. Die Pop-art mit ihrem Pakt mit dem Kommerz hat auch einen Boom der erotic art im Gefolge gehabt. Es gibt also Gründe, dieses heikle Gebiet zu meiden, vor allem in einer Zeit der flächendeckenden Sexualisierung. Doch auch diese belebt das Geschäft, setzt sich in Kunst um, wobei wie in vielen Bereichen die Gleichschaltung am untersten level dominiert. Das heisst Banalität als primitivste Form von Alltäglichkeit, wo schon ein sexuelles Rollenspiel als
künstlerische Performance gewertet wird. So scheint es für manche Kunstexperten ein vordringliches Anliegen zu sein, Pornografie eins zu eins in Museumskunst überzuführen. Otto Beck hat sich für seinen neuen Bilderblock unter anderem im virtuellen Rotlichtdistrikt und in Manga-Comics umgesehen. Die Zurschaustellung findet bei ihm nicht in der Form obszöner Aktionen, sondern in starren, wie gefesselten Posen statt, was bei einem malerischen Bewegungstalent wie Beck überrascht. So etwas wie ein narzisstischer Stupor hat diese Figuren erfasst. Ich sage bewusst „Figuren“, weil ihnen ein individueller und kommunikativer Charakter abhanden gekommen ist. Er stellt sie in eine ebenso nahe wie verschlossene Zwischenwelt, in der die Farben Schwarz und Rosa dominieren. Auffallend ist der Fetischcharakter, der das Erotische des Körperlichen fast vollständig absorbiert. Es sind puppenhafte Sexidole, ein Eindruck, zu dem auch das Puerile dieser Lolitas und Lolitos beiträgt. Dies entspricht zwar durchaus bestimmten Trends in der Welt der medialen erotischen Unterhaltung, doch das ist weniger der Grund, der Otto Beck zum Malen reizte, denn er will hier weder soziologische Fallstudien zeigen noch Sexualpsychologie betreiben.   Das Kostüm, das Outfit, das „face shifting“ bestimmt die durch und durch artifizielle Erscheinung, und diese Verwandlung von Körpern in Idole ist es vor allem, was den Maler fasziniert; ein Spielraums, in dem die Spezies Mensch in die künstliche Animation und in das Comic überwechselt und zum astralen „space people“ mutiert. Der Künstler erfreut sich an der erotisierenden Drapierung und gestattet uns außerdem einige historische Abstecher, einen Streifzug in die Zeiten von Moulin rouge oder Frühstück bei Tiffany, und sogar die Steinzeit hatte schon ihre Pin-ups und Cartoons, wenn man Beck Glauben schenkt. Marilyn Monroe bleibt uns gottseidank erspart. Es herrscht aber kein Life-Ball-Taumel, sondern ein korsetthafter Zwang, etwas Fixiertes und Mechanisiertes. Nichtsdestotrotz bietet Beck es in einer fast amüsanten Form dar, die ich als burlesk bezeichnen möchte. Das Schrille liegt erfreulich nahe am Schrulligen. Wohl dem, der hier wie Beck seinen Humor und eine gesunde Portion Deftigkeit bewahrt. Man fühlt sich an das Sprichwort erinnert: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. In erotischer Hinsicht gewahrt man eher Symptome der Verkümmerung: Uniformität, Infantilismus, Verwischung geschlechtlicher Unterschiede.   Was Beck zweifellos mehr interessiert als der online-Strich, das ist die „Hure Malerei“, für die ein Thema immer nur Anlass, Mittel zum Zweck ist. Was kann dieses altertümliche Medium zu diesen clownesken Bizarrerien beitragen? Da schlägt Beck keineswegs in die Kerbe der Gleichmacher und „Herunterzieher“, die sich meistens auf die Seite der aktuellsten Techniken schlagen. Das zeigt sich allein schon darin, dass seine gestalterische Vorgabe für diese Ausstellung nicht lautet „tiefer hängen" (wie ein bekannter Buchtitel lautet), sondern dass er seine Bilder möglichst hoch oben platziert sehen will. Das ist in diesem Fall kein bloßer Gag, sondern programmatisch zu nehmen. Für Beck ist die Malerei eine Würdeform, die ein Motiv nobilitiert, wie ein sehr altmodischer Terminus lautet, diesen Stolz lässt er sich nicht nehmen, und von dieser Würde profitieren auch seine unanständigen Netzbewohner. Er stellt seine modernen " pin-ups" ideell in eine Reihe mit den ehrenwerten Modellen seinerzeitiger „Klassiker". Den mattierten Bildschirm hat er durchaus integriert, denn die Bilder sind technisch so etwas wie digitale Hinterglasmalereien. Beck unternimmt also nichts Geringeres als einen Brückenschlag zwischen Comic, virtueller Realität und altgediegener Malerei. Man spricht oft von der spitzen Feder, die zu höchstem Bildwitz prädestiniert sei, womit die Zeichnung als Kunstform ein weitgehendes Anrecht auf Humor und Witz in der bildenden Kunst zugesprochen bekommen hat. Ich möchte daher jetzt eine analoge Behauptung aufstellen, dass nämlich der vergleichsweise stumpfe Pinsel bei Otto Beck ebensolche Fähigkeiten hat. Sie versetzen ihn in die Lage, auch einem heiklen Thema eine im weitesten Sinn humorvolle Behandlung wiederfahren zu lassen. Otto Becks erotische Erkundungen verführen vor allem zur Malerei.