Was ist ein Bild? Was löst jene scheinbar überholte, immer wieder totgesagte und siegend wiederkehrende Technologie des Illusionierens im nach wie vor bildhungrigen Kunstbetrachter aus? Ein Bild ist unter vielem anderen der mehr oder weniger flüchtige Augenblick des Bestehens einer Täuschung. Je länger der Moment der Bild-Illusion anhält, desto stärker erweist sich das „Kunstwerk", desto intensiver halten sich komplexe Existenzbedingungen des „Als ob" in Spannung - bevor Zweifel am Materiellen, Ästhetischen und Inhaltlichen auftauchen und den „Wunder-Charakter" des Bildes schwächen. Man kann sagen, dass Otto Becks malerisches und zeichnerisches Interesse diesen Entstehungs- und Zerfallsprozessen, eben der Lebenskurve des Bildes gilt. Otto Beck ist alles andere als ein naiver Feuerkopf, begierig, die Geschichte der Farbe, des Bleistifts neu zu schreiben. Er ist eingeweiht in kulturelle Zusammenhänge, in Kunstphänomene, weiß Bescheid über Grundlagen, Hochblüten, Verschleiß, Wiederholung und Innovation, und dennoch hält er am vergleichsweise traditionellen Bilder-Verständnis fest - freilich nicht ganz frei vom Misstrauen gegenüber alten Handwerkszeugen und Zielen bildnerischer Illusion. Das Widersprüchliche hat daher seinen Platz in Otto Becks Malerei. Die Ölgemälde sind augenscheinlich federleichte, beinahe impressionistisch lichtdurchflutete Landschafts- und Himmelsansichten - Durchblicke auf zarte Figurationen, die sich gelegentlich vor zeitloser Klassik wie Manets „Frühstück im Freien" verbeugen. Handgreifliche Tatsache ist, dass diese „Sterngucker", schwebenden Gesichter, „Weidenden Herden" und ähnliche aus Schwerkraft und Perspektive gerückte Erinnerungen nur die oberste Schicht regelrecht „gemauerter" Farb-Substanz-Wände sind. Otto Beck kann nie zufrieden sein mit einem malerischen Ergebnis, mit dem „Finish" eines Bildes. Als Gedankenmensch und Konzept-Künstler, den man von vielen spartenübergreifenden Aktionen her kennt, „durchschaut" er seine eigene Bildproduktion und begibt sich malend wie zeichnend auf die endlose Suche nach verlorenen Geheimnissen. So wachsen die Farbtafeln dem Maler und Betrachter entgegen, decken immer neue Schichten alte, scheinbar ungenügende Bildgründe zu, die den Fragen des Künstlers nicht mehr antworten konnten. Dabei ist Otto Beck kein mystischer Übermaler im klassischen Sinn, er will dem Bild und seinem „Fehler" nicht entkommen, sondern dieses mit all seinen reizvollen Fragwürdigkeiten bestätigen. Nicht Auslöschung, sondern Anreicherung und farbliche Vielstimmigkeit in einem ungestörten, glücklichen Bild-Augenblick ist das Ziel aller Anstrengungen. Dadurch entstehen „Übermaß" an Farbkörper und Reduzierung alles graphisch Geschwätzigen zum Zeichen. Die Figur steigt wie bei Becks nächstverwandten Generationsgenossen Mosbacher und Anzinger triumphierend aus komplizierten Malerischen Prozessen. Sie gebietet dem Fluss der Veränderungen Einhalt, lässt für einen ungestörten Moment die Bewegung stillstehen, aus der heraus der ruhelose Maler sein Gesamtwerk entwickelt. In die oberste, alles verdeckende Schicht der Bilder ist die Figur eingeschrieben, dort atmet deren einfaches, ruhiges Dasein und deren komplexe, beunruhigende Geschichte. Die Bildhaut gleicht den Wendepunkten einer Woge - dem Augenblick, in dem der Rhythmus des Fließens sich seiner selbst bewusst wird. In die Zeit wird ein Punkt gesetzt. Otto Becks bildnerische Strategie auf Papier ist die konträre Spiegelung seiner Malerei. Knapp vor dem Verschwinden von Körper, Raum und Zusammenhang gewinnt die schlichte Linie ihr Spannungshoch. Das flüchtig hingesetzte Kopfprofil, die kleine Figurengeste oder das bloße Daliegen einer kaum kenntlichen Gestalt vibriert dann vor Energie. Leere und Linie tönen dann als Konzentrat zahlloser Streichungen, als Gipfelpunkt komplizierter Einfachheit.