Otto
Beck

Minimal Housing - Bereit für den Tod

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 Gudrun Weinzierl  

Salzburger Nachrichten 1.11.2010 Worin und wie soll man einmal zu Grabe getragen werden? Manchem ist es einerlei, wie er „in die Grube fährt", ein anderer möchte eine „Schöne Leich". Da gibt es jene, die schon zu Lebzeiten ihr Begräbnis planen, andere überrascht der Tod, der jegliche Planungsmöglichkeit für immer entzieht, das Entscheiden und Vorbereiten den Hinterbliebenen zuschiebt. Der Salzburger Künstler Otto Beck beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit „Funeral Art", einer internationalen Kunstrichtung, die sich mit Sterbe- und Begräbnisritualen befasst. Einer der sich ausschließlich diesem Metier verschrieben hat, ist der Franzose Andre Chabot, Fotograf, Künstler, Designer und Funeralethnologe. Sein Fotoarchiv umfasst rund 170.000 Bilder von Gräbern und Grabeskunst, von Mausoleen und Katakomben voller Symbolik, Exotik und Erotik; voll Humor und Metaphysik, voll des Erinnerns und Vergessens rund um die Welt. Als Streuner auf den Friedhöfen demaskiert er die falschen Monumente, als Journalist interviewt er für Begräbnis-Periodika die Maulwürfe, Eidechsen, Katzen und Eichhörnchen der Friedhöfe, als Literat kreiert er in Bildgeschichten legendäre Figuren wie Orpheus oder Maria Magdalena neu. Als Künstler schafft er Installationen, in denen Gräber und Särge zu beredten Zeugen, seiner persönlichen Fantasie werden und als Designer entwirft er Grabmonumente, drei von ihnen sind am berühmten Pariser Friedhof Pierre Lachaise zu finden. Auch Otto Beck wollte weitergehen und seine Begräbnis-Kunst praktikabel machen, sie in das reale Bestattungsgeschehen einbinden. Warum sollte nicht Kunst einen ins Grab begleiten, der Sarg oder die Urne als nötige Behausung zur künstlerisch gestalteten Grabbeigabe werden? Zuvor könnte die „Kiste für die Ewigkeit" als Möbel im eigenen Hausstand dienen, als Schrank stehend, als Truhe liegend, nützlich sowohl im Praktischen wie auch in geistiger Hinsicht: AIs Memento Mori wird der Schrank, die Truhe zum stillen Mahner. Beck hat eine Reihe von Künstlern eingeladen, am Produkt eines neuen, individuell gestaltbaren Sarges mitzuwirken, nicht jeder hat das Projekt zu Ende geführt, wollte die Konzentration auf das Jenseitige richten. Formal haben alle Beteiligten auf die schlichteste Variante, einen Quader, gesetzt und ihren Sargtischler bei der Holzindustrie Moser im Lungau gefunden: Sowohl das verwendete Pappelholz als auch die Form des Quaders eignen sich zur künstlerischen Gestaltung ideal. Die Form ist nichts anderes als die schon existierende buchenhölzerne „Flugtransportkiste". „Die Reduktion auf größtmögliche formale Schlichtheit des Sarges wurde der ganzen Welt am Tod von Papst Johannes Paul II vor Augen geführt, und auch jeder arabische Scheich, liegt zur Bestattung in einer derart einfachen Truhe", sagt Otto Beck. Von Särgen im „Gelsenkirchener Barock" (in einer Anlehnung an Möbeldesign der 50er Jahre, das preisgünstige Möbel mit barocker Formensprache anbot) mit hochwertig aussehendem Zierrat halten Beck und seine Mitstreiter nichts. So war es auch mühsam, überhaupt ein Bestattungsunternehmen zu finden, das für die Bestattungszeremonie einen beigestellten, nicht aus dem eigenen Angebot stammenden Sarg, akzeptierte. In der Städtischen Bestattung Salzburg wurde mit Wolfgang Ebner ein Partner gefunden, der die Grablege in einem Künstlersarg erlaubt und nicht kategorisch ablehnt.  Neben Otto Beck als Initiator haben auch Marianne Ewaldt, Rupert Gredler, Maria Jansa, Christine Jones, Christiane Pott-Schlager und Wolfgang Seierl als bildende Künstler Särge gestaltet. Der Geräuschkünstler Gerhard Laber will anlässlich seines Begräbnisses ein Klangereignis als Metapher für das Zufällige des Lebens abspielen lassen: Er hat auf dem Sargdeckel metallene Klangscheiben installiert. Statt Erde oder Blumen sollen die Trauergäste einst Kieselsteinchen auf den Sarg werfen, sodass ein langsam verklingendes Metallophon zu hören sein wird. Seinen „Flügel" will der Jazzpianist und Rechtsanwalt Klaus-Peter Schramme!, Urenkel des Begründers der Schrammelmusik, ins Jenseits mitnehmen. Der Arzt Gerhard Schreder hat eine Metapher des Lebens, das Schiff auf dem Meer, für seinen Sarg gewählt. Ein Schiffssarg, der nicht mehr ankern und nicht mehr an Land genommen wird, dessen Anker gelichtet ist, um in der Ewigkeit des Kosmos zu segeln. Wie in der griechischen Mythologie steuert Rupert Gredler seinen Nachen: Der Sarg wird zum Boot des greisen Fährmanns Charon, der den Toten über den Fluss Acheron oder Styx übersetzt, um ihn in die Unterwelt zu steuern. Als „Reisekoffer für H." - also als Auftrag für eine andere Person hat Marianne Ewaldt einen Sarg mit einem siebengängigen Labyrinth, als Symbol für den menschlichen Lebensweg gestaltet: Labyrinthmuster und Innenraum sind mit Blattgold belegt. Eine Kooperation — die auch als glaubensverbindende interreligiöse Botschaft zu lesen ist - sind Wolfgang Seien als ausführender Künstler und Auftraggeber Pater Franz Lauterbacher, der Pfarrer von Mülln, eingegangen. Nicht. in Blattgold wird Pater Franz sich legen lassen, sondern in Weiß. Sein Sarg wird zu einer Ganzkörpermaske, in die er schlüpft. Auf den vier Seiten seines Sarges wird Johannes 11 zitiert: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Den Sargdeckel ziert ein Kreuz, dessen Balken sich einander annähern, eins zu werden scheinen, Horizontale und Vertikale als Gegensätze lösen sich auf: Mit der dem Christen verheißenen Auferstehung werden auch die Gegensätze von Körper und Geist/Seele einst aufgelöst sein. Das Sarginnere ist in Anlehnung an die Maske des japanischen No-Theaters schwarz, dem  „Maskenträger" wird optimale Konzentration auf das Jenseits zuteil. 

Salzburger Nachrichten 1.11.2010