Otto
Beck

Hiltrud Oman
1990
Immer auf der Schwelle zum Archaischen

Archaisches, Prähistorisches, Nomadisches — das sind die Prinzipien, innerhalb derer sich Otto Beck in Sachen Kunst und Leben bewegt. Das Ursprüngliche, oder auch — das Primitive, durch das der Mensch unbewusst und bewusst sich selbst definierte, das, wodurch er als Mensch in der Welt bisher kreierte — den Endpunkt Tod dabei nie außer Betracht lassend —, gibt Beck den thematischen Anstoß in der künstlerischen Gestaltung; unabhängig davon, ob er malt oder (Archen) baut. Seine Assoziationen zu Archaischem und seine archetypischen Gedankenspielereien schlagen Wurzeln zu einer Arche-Tektur: einer bildlich-räumlichen Gestaltung, aber auch einer mit Konsequenz verfolgten Geisteshaltung (z. B. Natur als Archetektur, oder, warum auch nicht: ein Bild als Bestandteil der den Menschen insgesamt umgebenden Architektur, gibt er zu bedenken). Der Maler Otto Beck besinnt sich auf die Geschichte und „illustriert" — zurückgeworfen und besonnen auf sich selbst — Themen, die jenseits des Menschen-von-heute mit all seinen technisch perfekten Behelfen, Verführungen und Visionen liegen. Symbolhaft erscheinen dadurch die an frühgeschichtliche Wirklichkeiten erinnernden Motive:-Kuh oder Stier, als des Menschen heiliges (und Haus-)Tier, Tierherden, Archen und Archenbauer (samt ihren Attributen), Mutter-und-Kind, Bootsfahrern ...... Beck macht also nicht sichtbar, was er sieht, sondern was er weiß. Die außerbildnerischen Realitäten bleiben zunächst im Verborgenen und erklären sich erst durch verschiedene Perspektiven auf Geschichte. Der Grundsatz, Malerei als Entscheidung innerhalb der Auseinandersetzung mit malerischer Überlieferung zu sehen, entspricht deshalb Otto Beck auch mehr, denn jener, Malerei als einen „Zustand" (z. B. J. Pollock) zu bezeichnen. Otto Beck gehört, Ende des 8. Jahrzehnts, zu jenen Malerkreisen, die Figur, Landschaft, Portrait und Stilleben in der Malerei gelten lassen und die es als ihren Weg und ihre Aufgabe empfinden, die Figur oder das Zeichenhafte in den Gestaltwert des aktuellen Auges zu (ver-)setzen. Trotzdem bleibt innerhalb dieses Anspruchs genügend „Freiraum", Flächen, die er nur annäherungshaft zur Gestalt bringt. Zeitliche Ebenen verschwimmen darin. Die konkrete Figur findet sich in der eher flüchtig, aber stark gestisch gestalteten „Umwelt", in einem Verhältnis, wie uns der Mensch etwa innerhalb des Universums erscheint. Alles ist verfügbar, nichts erscheint absurd, nicht einmal der malerisch undefinierte „Frei-Raum", der — im Gegenteil — dem Betrachter die Möglichkeit für eine heute  so beliebte abstrakte Rationalität im Denken und Empfinden gewährt. Flecken, Striche, überlagerte Farbflächen und -krusten mobilisieren, je nach betrachtendem Individuum, differenzierte Vorstellungsbilder. Sie suggerieren z. B. kühle Wirklichkeiten (auch von der Farbgebung her, die im Übrigen an skandinavische Malerei erinnert) und auch wandelbare Traum- oder Es-war-einmal-Welten und verlocken das Betrachterauge in ein Gefälle von Aktion zu Kontemplation. Nicht zuletzt deshalb, weil die physische Gegebenheit, gewisse Bilder als Drehbilder-, optisch und haptisch, „gebrauchen" zu können, hinzukommt. Die Achsen zwischen Oben und Unten, Links und Rechts, Hoch- und Breitformat hat der Künstler aufgelöst und die ein-dimensionale Funktion des klassischen Tafelbildes damit in Frage gestellt, respektive ihm eine archetektonische Integrationsmöglichkeit zugewiesen. Durch die dichten Übermalungen bis an den äußersten Rand hinaus verschmelzen oft der unsichtbar gemachte Malgrund (Holzplatte) mit unsichtbar, nur erahnbar  gemachtem, ins Bild hinein geholten Holzrahmen. So wird das Bild samt Rahmen zu einem physischen Ganzen. Auch dies kann als ein Zeichen dafür gesehen werden, dass Otto Becks Malerei der bildnerische Ausdruck seiner eigenen Lebensform ist, die er vergangenheitsbewusst, gegenwartsbezogen und zukunftsahnend unentwegt in Fluss bringt.